Nachdem der Bundesgerichtshof mit Entscheidungen vom 09.11.2011, XII ZR 136/09 und vom 02.07.2014, XII ZB 201/13 entschieden hatte, dass den Scheinvätern ein Auskunftsanspruch gegen die Kindesmutter des Inhalts zusteht, dass diese erklären muss, mit welchen Männern sie in der gesetzlichen Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hat, hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung für verfassungswidrig erklärt und damit der Verfassungsbeschwerde einer von den Instanzgerichten zur Auskunft verpflichteten Kindesmutter stattgegeben. Der von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugebilligte Auskunftsanspruch diente der Vorbereitung und Durchsetzung des Regresses des Scheinvaters gegen den biologischen Vater des Kindes. Lesen Sie unseren Beitrag dazu!
In den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen hatte der Scheinvater die Vaterschaft für das Kind erfolgreich angefochten und nahm dann die Kindesmutter zur Vorbereitung des Regreßverfahrens gegen den leiblichen Vater auf Auskunft in Anspruch, mit wem diese zur Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hatte. Die Kindesmutter verteidigte sich mit der Behauptung, sie kenne den Namen des tatsächlichen Vaters nicht, weil es sich um eine nur flüchtige Bekanntschaft handelte. Der Bundesgerichtshof bestätigt seine Rechtsprechung vom November 2011 und führte diese konsequent fort. Grundsätzlich bestehe eine Verpflichtung der Mutter zur Auskunft, die sich aus §242 BGB ergebe, da zwischen den beiden Beteiligten des Rechtsstreits ein rechtliches Verhältnis bestanden hat und der Anspruchsteller auf den Auskunftsanspruch angewiesen sei, um ein künftiges Recht, nämlich die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den tatsächlichen Vater, durchzusetzen. Der Mutter wiederum ist es auch nach Abwägung der widerstreitenden Interessen zuzumuten, den Auskunftsanspruch zu erfüllen, was lediglich dann nicht gelten würden, wenn der Scheinvater mit seinem Anspruch andere als die anerkannten Regreßansprüche verfolgen würde.
Das Bundesverfassungsgericht erteilte dieser Rechtsprechung mit seiner Entscheidung vom 24.02.2015, 1 BvR 472/14 eine komplette Absage. Das Bundesverfassungsgericht sieht die grundsätzlichen Probleme des Scheinvaters, der eine effektive Wahrnehmung seiner Rechte eben nur dann umsetzen kann, wenn ihm der Name des leiblichen Vaters des Kindes bekannt ist. Andererseits stellt die Verpflichtung der Mutter, Auskunft über den Namen des möglichen leiblichen Vaters zu erteilen, einen erheblichen Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht dar. Durch die von den Gerichten über das Rechtsinstitut des §242 BGB über Treu und Glauben konstruierte generelle Auskunftspflicht sei die Mutter gezwungen, geschlechtliche Beziehungen zu anderen Männern und damit intimste Vorgänge ihres privaten Lebens zu offenbaren. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG iVm. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre des Einzelnen auch Aspekte des Geschlechtslebens und dessen Interesse, dieses nicht offenbaren zu müssen. Die Instanzgerichte hätten Umfang, Reichweite und Auswirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter verkannt und mit dem Institut der Rechtsfortbildung durch Richterrecht die verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten. Auf die von den Instanzgerichten und dem BGH gestützte Norm des §242 BGB zur generellen Begründung der Auskunftspflicht ließe sich der Anspruch des Scheinvaters gerade nicht gründen, denn hierzu fehle es an Anknüpfungspunkten im Recht, denn ein solcher Auskunftsanspruch zur Durchsetzung des Regresses ist gerade nicht einfachgesetzlich geregelt, obwohl auch das Familienrecht ansonsten Auskunftsansprüche kennt und gesetzlich geregelt hat.
Zwar sei es grundsätzlich möglich, bestimmte Auskunftsansprüche über die Generalklausel des §242 BGB zu begründen, allerdings seien in den vorliegenden Fallkonstellationen die Grenzen enger, denn die mit der Auskunftsverpflichtung einhergehende Grundrechtsbeeinträchtigung der Mutter wiegt so schwer, dass ein Eingriff in diese Grundrechtsposition nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen könne, nicht aber durch richterliche Rechtsfortbildung unter Heranziehung der Generalklausel des §242 BGB.
Das Bundesverfassungsgericht betont zwar, dass es bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommt, allerdings sei prinzipiell der Gesetzgeber gefordert, durch Gesetz die Rechte der Scheinväter zu stärken. Allerdings müsse auch der Gesetzgeber bei der Schaffung eines gesetzlichen Auskunftsanspruches das diesem Anspruch entgegen stehende allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mütter abwägen und diesem Recht bei der Gestaltung einer solchen Norm Rechnung tragen.
Damit dürften zunächst ähnlich gelagerten Fällen der Auskunft der Scheinväter gegen die Mutter wenig Chancen eingeräumt sein, diesen Anspruch gerichtlich durchzusetzen, dies würde auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wohl nur in sehr eklatanten Ausnahmefällen gelingen, etwa, wenn die Abwägung ergeben würde, dass die Mutter aufgrund ihres Verhaltens wenig schutzwürdig sei und sie den Scheinvater durch falsche Angaben zur Vaterschaftsanerkennung veranlasst hat oder ähnliche Konstellationen. Wahrscheinlich werden daher in der Zukunft verstärkt die auf Auskunft klagenden Väter Umstände vortragen müssen, anhand derer sich ergibt, dass die Mutter aufgrund bestimmten eigenen Fehlverhaltens nicht derart geschützt ist, ihr verfassungsrechtlicher Schutz geringer ist und sie deswegen ausnahmsweise zur Auskunft verpflichtet werden kann.
Generell hat die Entscheidung jedoch die rechtliche Diskussion wieder auf den Anfangsstand zurückversetzt und den Gesetzgeber zum Nachdenken aufgefordert, ob eine gesetzliche Auskunftspflicht zugunsten der Scheinväter eingeführt wird oder nicht.
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