Der Ausbildungsunterhalt volljähriger Kinder wird regelmäßig in den Fällen problematisch, in denen die Kinder keine von vornherein geplante und mit den Eltern abgesprochene geradlinige Ausbildung aufnehmen, sondern zunächst nach dem Schulabschluss eine Lehre absolvieren und nach dieser Lehre dann noch ein Studium aufnehmen. Der Bundesgerichtshof , Entscheidung vom 08.03.2017, XII ZB 192/16, hatte einen solchen Fall zu entscheiden, der auf den ersten Blick völlig eindeutig atypisch schien und deshalb auch das Familiengericht und das Oberlandesgericht bewogen hatte, die Erstattung der Ausbildungsunterhaltsansprüche abzulehnen.
Das Kind hatte im Jahre 2009 das Abitur abgelegt und danach bis 2012 eine Lehre zur Bankkauffrau erfolgreich absolviert und abgeschlossen. Danach nahm es mit dem Ziel, Lehrerin an berufsbildenden Schulen zu werden, das Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem allgemeinen Schwerpunktfach katholische Theologie auf. Angestrebter Abschluss ist der "Bachelor of Science", dem im Master-Studiengang der "Master of Education" nachfolgen soll.
Der Bundesgerichtshof nahm in seinem Beschluss zunächst unter Darlegung seiner bisherigen Rechtsprechung ausführlich dazu Stellung, wann der Ausbildungsunterhalt von den Eltern grundsätzlich geschuldet sei und was gelte, wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Wegen der Einheitlichkeit der Berufsausbildung müsse zunächst ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten bestehen, wobei es allerdings auch ausreichend sei, dass der Studienwunsch erst nach Abschluss der Lehre getroffen wird, weil die Eigenart dieser vom üblichen Berufsausbildungsweg abweichende Ausbildung impliziert, dass sich der Abiturient über die Aufnahme eines Studiums noch nicht recht schlüssig ist.
Dass demgegenüber auch den Interessen der Unterhaltsverpflichteten Rechnung getragen werden müsse, betont der BGH, versteht sich aber auch von selbst. Schließlich müssten sich auch die Unterhaltsverpflichteten für ihre eigene Lebensplanung darauf einstellen können, wann die Ausbildung des Kindes beendet sein wird und damit die Unterhaltslast wegfällt. Das Ausbildungsverhältnis des Kindes und dessen Finanzierung durch den Unterhaltsverpflichteten sei von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt, d.h. das Kind müsse die Ausbildung mit Fleiß und Zielstrebigkeit absolvieren, ansonsten eine Reduzierung oder ein Versagen des Unterhaltsanspruchs die Folge ist. Demgegenüber haben die Eltern jedoch auch geringe, unverschuldete Verzögerungen hinzunehmen. Erst lange Unklarheit des Absolventen über den Ausbildungsgang, fehlende Zielstrebigkeit in der Berufswahl oder -Ausbildung führen zu einer Unzumutbarkeit der weiteren Finanzierung durch den Unterhaltsverpflichteten.
Der Bundesgerichtshof hat in der mitgeteilten Entscheidung also grundsätzlich zu den Fragen der Finanzierung des Ausbildungsunterhalts in den Abitur-Lehre-Studium-Fällen und allen anderen grundsätzlich in Betracht kommenden Ausbildungsällen Stellung genommen, obwohl dies in der Breite für den zu entscheidenden Fall gar nicht notwendig gewesen ist. Diese umfassende Darstellung und Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Ausbildungsunterhalt kann aber sehr gut als Vorlage zur Beurteilung dienen, ob das Kind noch anspruchsberechtigt ist oder -umgekehrt- die Eltern noch zahlungsverpflichtet sind.
Im eigentlichen Fall hat der BGH dann schlussendlich ausgeführt, dass die Lehre zur Bankkauffrau und das aufgenommene Studium nur auf den ersten Blick sachlich nicht miteinander zusammenhängen könnten. Die Entscheidung der Vorinstanzen, den Unterhaltsanspruch zu versagen, hat der BGH dann aufgehoben. Maßgeblich aus seiner Sicht war der Umstand, dass es sich zwar um völlig unterschiedliche Berufssparten handelte, gleichwohl das Oberlandesgericht übersehen habe, dass es sich beim Studium im Schwerpunktfach katholische Theologie nur um einen Teilbereich handelt, der nur etwa 1/3 des Stoffes ausmache, während fast die Hälfte des gelehrten Stoffes auf die Wirtschaftswissenschaften entfallen würde, mithin einen Studienteil darstellt, der sich mit Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre und mit methodischen Grundlagen befasse und für den die zuvor absolvierte Banklehre ganz konkreten Nutzen entfalten könne, der über solche Kenntnisse hinausgehen kann, die für jeden nützlich seien. Deshalb wurde das Verfahren wieder an die Vorinstanz zurückverwiesen. In dieser muss neben der Erörterung des engen sachlichen Zusammenhangs der verschiedenen Stufen der Berufsausbildung und im Falle ihrer Bejahung dann die Frage beleuchtet werden, ob der Unterhaltsverplichtete überhaupt leistungsfähig und ihm die weitere Finanzierung der Ausbildung wirtschaftlich zumutbar gewesen ist. Dies sei insbesondere im Hinblick auf bereits geleistete Unterhaltsbeträge im Rahmen der Erstausbildung bei der Banklehre zu prüfen.
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